Eine Thematik, die ein enormes Potential für die genannten Veränderungen bietet, ist das Digital Game Based Learning. Warum ist das so, fragen Sie?
Ich kann zehn gute Gründe dafür anbieten:
1. SPIELE SIND DAS LEITMEDIUM UNSERER ZEIT
Spiele sind gesellschaftlich inzwischen so verbreitet, dass der Großteil insbesondere der jüngeren Teile der Gesellschaft mit dem Phänomen Spiel/Computerspiel zu tun hat. Spiele sind also heute schon für fast jeden ein bekanntes Medium, das man nicht erklären muss.
2. SPIELE SIND INTERAKTIV
Wer spielt, muss aktiv handeln. Wer ein Spiel gut spielen will, muss die zugrunde liegenden Mechaniken und Systeme so gut verstanden haben, dass man das System beherrscht und die Mechaniken verinnerlicht hat. Sind diese Systeme und Mechaniken von gesellschaftlicher Relevanz, wie zB Städteplanung, Problemlösekompetenz oder Kommunikationsstrategien, lässt sich mit der Vermittlung dieser Inhalte die erforderliche Mündigkeit und Kompetenz erlernen, nach der in unserer Gesellschaft so häufig gefragt wird.
3. SPIELE LADEN ZUM FEHLER MACHEN EIN
Spiele laden zur Experimentierfreudigkeit ein. Scheitern und Fehlermachen ist als positiver Teil des Lernfortschrittes integriert – Game over, try again!
4. SPIELE SPIELT MAN GEMEINSAM UND IN GEMEINSCHAFTEN
Viele Spiele laden ein zum gemeinsamen Spielen, sie bieten Möglichkeiten, die Leistungen miteinander zu vergleichen und sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen beim erfolgreichen und immer kompetenteren Spielen des Spiels.
Spiele erschaffen Gemeinschaften jenseits des Spiels, die mit Expertise und Kreativität eine Thematik durchdringen. Spiele-Communities entwickeln und pflegen einen Spielstil und Diskurs, der dem wissenschaftlichen Arbeiten grundsätzlich gleicht.
5. SPIELE BIETEN KONTROLLE UND FREIHEIT
Beim Spielen hat man selbst die Kontrolle und übernimmt aktiv Verantwortung für den Lernprozess.
Gleichzeitig lassen Spiele die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie man spielen möchte. Sie laden ein zu kreativen Lösungen und eröffnen Möglichkeiten des Spiels jenseits aller Spielziele.
6. SPIELE ENTHALTEN „WOHL GEORDNETE“ PROBLEME
Alle Aufgabenstellungen in Spielen sind „wohl geordnete Probleme“ (James Paul Gee), alle früheren, einfachen Problemstellungen bereiten gezielt auf spätere schwierigere Probleme vor und laden ein, Hypothesen zu formulieren. Benötigte Informationen zum Lösen von Problemen bekommen die Lerner/Spieler_Innen genau zum richtigen Zeitpunkt, bzw. auf Anfrage geliefert.
7. SPIELE SIND „ANGENEHM FRUSTRIEREND“
Spiele sind „angenehm frustrierend“, d.h. der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben ist immer genau so schwierig, dass ich gerade noch in der Lage bin, sie zu lösen.
8. SPIELE LASSEN UNS DIE ZEIT VERGESSEN
So besteht die Möglichkeit in einen Flow-Zustand zu kommen, in dem man völlig in einer Tätigkeit vertieft ist, die wie von selbst vor sich geht. In der Psychologie ist dies der Bereich optimaler Forderung bzgl des Schwierigkeitsgrades. Lernen und Arbeiten geht dann wie von selbst.
9. SPIELE LASSEN UNS IN SYSTEMEN LERNEN
Wissen und Lernen sind heute nicht mehr singulär und auf einzelne Fächer und Disziplinen beschränkt. Es wird immer wichtiger, Systeme als Ganzes zu verstehen und interdisziplinär und systemisch an die Lösung komplexer Probleme heranzugehen. Deswegen ist systemisches Denken, so wie es in Spielsimulationen gefordert und gefördert wird, von essentieller Bedeutung für unsere moderne Welt.
10. SPIELE BEREITEN UNS AUF EINE NAHE ZUKUNFT VOR
Die nahe Zukunft stellt Anforderungen an unsere Gesellschaft, für die wir neue Kompetenzen benötigen. Diese so genannten 21st Century Skills sollten möglichst bald in unsere Ausbildungssysteme und insbesondere in die Schulen Einzug halten. Die wichtigsten Fähigkeiten, die wir brauchen, sind Kritisches Denken, Kreativität, Kommunikation und Kollaboration.
Kritisches Denken bedeutet, sich einem Problem wie ein Wissenschaftler anzunähern, Hypothesen zu formulieren und sie im Experiment zu beweisen oder zu widerlegen. Kritisches Denken ist heute in Schulen unterrepräsentiert und wird dennoch, so wie alle folgenden 21st Century Skills, als essentiell für unsere heutige (Berufs-)Welt gesehen.
Kreativität schließt direkt an das kritische Denken an, bei komplexen oder völlig neuen Problemen ist ein kreativer Zugang zur Lösung notwendig. Neue Lösungsansätze erfordern häufig das Denken außerhalb althergebrachter Denk- und Lösungsansätze.
Kommunikation und Kollaboration sind grundlegend für Arbeitsprozesse in der modernen Welt. Sie sind das Rückgrat für das erfolgreiche Funktionieren von Teams, die aufgrund der Komplexität moderner Problemstellungen dazu gezwungen sind, eine Vielfalt von Kompetenzen in Problemlösungen einfließen zu lassen.
Thomas Kunze
Gründer der Games Institute Austria Initiative