„Ökosoziale Marktwirtschaft: Was sonst?“ – Harald Mahrer im Interview
Die Stiftung hat gerade ein neues Essay-Band publiziert: „10 Jahre Schwarz-Grün. Eine Spekulation“. Was war die Motivation dafür und was die Erkenntnis aus diesem Projekt?
Als Thinktank ist der Julius Raab Stiftung die Auseinandersetzung mit der Zukunft Österreichs ein zentrales Anliegen. Dafür muss man mitunter auch in die Vergangenheit blicken. Deshalb haben wir politische Proponenten von damals, hochkarätige Journalisten und Akteure von heute eingeladen eine Bilanz einer hypothetischen schwarz-grünen Regierung zu ziehen. Schwarz-Grün wäre vor zehn Jahren eine durchaus spannende Perspektive gewesen, doch ist es heute eine Einbahnstraße, da die eingeschlagene Richtung der Grünen nicht mehr mit den Grundwerten der ÖVP vereinbar ist. Grundsätzlich könnte eine schwarz-grüne Zusammenarbeit auf Basis der Grundwerte der Ökosozialen Marktwirtschaft einen wichtigen Impuls liefern, um die Ökosoziale Marktwirtschaft erfolgreich umzusetzen.
Ist es nicht heute sehr gewagt, über Schwarz-Grün auf Bundesebene nachzudenken?
Spekulationen sind dazu da, um politische Möglichkeitsräume der Zukunft zu eröffnen. Die von der ÖVP unter Josef Riegler vorgedachte Ökosoziale Marktwirtschaft, die wir als Julius Raab Stiftung weiterentwickeln, ist das Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell der Zukunft. Durch ihre ursprüngliche Programmatik und die ökologische Grundorientierung wären die Grünen für die ÖVP – im Gegensatz zu anderen Parteien – ein potenzieller Umsetzungspartner dafür.
Schwarz und Grün klingt derzeit aber eher nach Konflikt als nach Partnerschaft?
Die Grünen stellen sich selbst auf ein moralisches Podest und versuchen laufend die Volkspartei als wertelose Korruptionstruppe anzuschwärzen. Das ist politisches Kalkül und Grüne-Propaganda. Grundsätzlich sehe ich das ganz anders. Die Grünen haben Moral und Anstand nicht gepachtet. Ganz im Gegenteil. Das sind Haltungen der bürgerlichen Mitte. Wenn eine Partei in Österreich für den goldenen Mittelweg und damit auch den sozialen und ökologischen Ausgleich steht, dann ist dies die ÖVP.
Trotzdem bleibt Schwarz-Grün ein Zukunftstraum …
Neben der fehlenden rechnerischen Mehrheit für eine mögliche Koalition ist derzeit das wichtigste Hindernis, dass Teile der Grünen einer linken Staatswirtschaft an- und nachhängen. Auch damit ist das Zukunftsmodell momentan leider mehr eine Illusion als eine Spekulation. Anders sieht die Zukunft aus, wenn die Grünen ihre Hausaufgaben erledigen würden: Überdenken und Weiterentwickeln ihres programmatischen Fundaments, klares Bekenntnis zur Ökosozialen Marktwirtschaft und offene Dialogorientierung in Richtung Volkspartei.
Warum ist die Ökosoziale Marktwirtschaft eigentlich das ordnungspolitische Konzept für die Zukunft?
Die Formel des Erfolgsmodells der Sozialen Marktwirtschaft lautet: Wirtschaftliche Freiheit ist die Voraussetzung für wirtschaftliche Leistungskraft – und die wirtschaftliche Leistungskraft ist die Voraussetzung für sozialstaatlich verbürgte Solidarität. Oder verkürzt gesagt: Es kann nur verteilt werden, was vorher erarbeitet wurde. Mit Blick auf Umwelt und Gesellschaft müssen wir neben der Freiheit, der Leistung und der Solidarität auch den Wert der Nachhaltigkeit in unserer Wirtschafts- und Sozialordnung verankern und deshalb das Modell der Sozialen Marktwirtschaft hin zu einer Ökosozialen Marktwirtschaft weiterentwickeln. Damit bekommt der Wert der Verantwortung eine dritte bedeutende Dimension. Es geht um Eigenverantwortung, gesellschaftliche bzw. soziale Verantwortung und um die Verantwortung gegenüber der Umwelt. Die Ökosoziale Marktwirtschaft mobilisiert wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert durch das Zusammenwirken von Kräften, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen mögen. Sie ist der goldene Mittelweg zwischen ultraliberaler Marktwirtschaft und sozialistischer Zwangswirtschaft. Sie ist ein Konzept aus der breiten Mitte für die breite Mitte.