Die „Erdbeerwoche“ ist ein auf den ersten Blick unkonventionelles Projekt, das Interesse an einem Tabuthema weckt. Wie sind sie auf diese Geschäftsidee gekommen?
Meine Co-Gründerin und ich kommen beide aus der Nachhaltigkeitsbranche. Wir haben damals gemeinsam Unternehmen dabei unterstützt, CSR und Nachhaltigkeit in ihr Kerngeschäft zu integrieren. Dabei sind wir durch Zufall auf den Bereich der Monatshygiene gestoßen. Überall gab es biologische nachhaltige Alternativen – bei Lebensmitteln, Kleidung, etc. – aber nicht in der Monatshygiene. Wir haben dann recherchiert, und sind dabei auf die ökologische und gesundheitliche Problematik gestoßen. Viele Gespräche mit Frauen haben uns gezeigt, dass ihnen diese Problematik nicht bewusst ist; dass Menstruation und Frauenhygiene auch heute noch für viele ein Tabuthema ist. Wir meinen, das kann und darf im 21. Jahrhundert nicht sein! Die „Erdbeerwoche“ ist aus dieser Lücke heraus entstanden. Irgendwer musste das Thema besetzen, und wir dachten uns damals: wer, wenn nicht wir?
Auf ihrer Seite habe ich gelesen, dass ein Tampon 500 Jahr braucht um zu verrotten. Eine unglaublich lange Zeit – stimmt das wirklich so?
Ja, wegen der Plastikbestandteile. Wenn man bedenkt, dass Tampons und Binden den meisten Müll an Stränden ausmachen, dann ist es schon ziemlich bedenklich, dass sogar unsere Urururenkel noch Überreste von diesem Müll vorfinden werden.
Und ihre Arbeit dient dazu, diesen Müll zu vermeiden…
Vor kurzem haben wir unseren Umweltrechner gelauncht und damit als erstes auf Monatshygiene spezialisiertes Unternehmen unseren Impact auf der Müllvermeidungsebene in Zahlen gefasst. Wir haben dabei festgestellt, dass wir seit Beginn unseres Bestehens schon über 4 Millionen konventionelle Tampons und Binden durch nachhaltige Alternativen ersetzt haben.
Sie gehen demnächst mit der „Erdbeerwoche“ an die Schulen und tragen ihr Anliegen verstärkt an Jugendliche bzw. junge Frauen heran. Warum ist ihnen diese Gruppe so wichtig?
Wir haben bei Jugendlichen eine österreichweite Umfrage gemacht. Die Ergebnisse waren zum Teil schockierend. Über 80 Prozent der jungen Frauen haben angegeben, dass sie ihre Tampons und Binden in der Toilette entsorgen. Weil sie nicht Bescheid wissen, weil ihnen niemand sagt, dass man das nicht machen soll, weil in den Schultoiletten vielfach die Mülleimer fehlen und auch weil das Schamgefühl oft zu groß ist, um die gebrauchten Produkte in einen externen Mülleimer zu werfen. Dann bleibt nur die Option der Entsorgung in der Toilette. Für unser Entsorgungssystem bedeutet das Kosten in Millionenhöhe, die mit der entsprechenden Aufklärung und Infrastruktur leicht vermeidbar wären. Dazu müssen wir an die Schulen gehen. Aufklären. Mädchen die Scham vor dem Thema nehmen.
Wie weit sind sie bei der konkreten Umsetzung?
Das Projekt ist im Laufen, wir stecken schon mittendrin. Im Moment sind wir bei der Erstellung der digitalen Lernplattform. Im Herbst starten wir mit den Pilotworkshops, im nächsten Jahr soll dann der Rollout passieren. Zuerst österreichweit, danach in Deutschland und in den anderen EU-Ländern. Parallel dazu wollen wir auch unsere Bewusstseinsplattform international ausbauen.
Können sie die Elemente der Lernplattform bitte kurz beschreiben?
Die Plattform wird in vier Levels aufgebaut sein und Jugendlichen die wichtigsten Stationen des weiblichen Zyklus auf interaktive und moderne Weise näher bringen. Videos werden sich darin genauso finden wie interaktive Games, Slideshows und ein sogenanntes Menstru-Activity. Wichtig ist uns, dass die Inhalte spielerisch, jugendgerecht und ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt werden und dass sich sowohl Mädchen als auch Buben von der Plattform angesprochen fühlen.
Was gefällt ihnen an ihrer Arbeit besonders gut, woraus schöpfen sie ihre Motivation?
Das Schöne bei unserem Job ist dass wir Tag für Tag die Bestätigung bekommen, dass wir etwas richtig machen. Weil wir von Frauen viele sehr positive Rückmeldungen bekommen, weil uns Frauen danken, dass wir sie auf die Problematik aufmerksam gemacht haben, oder weil sie uns melden, dass sie keine gesundheitlichen Probleme mehr haben, seitdem sie auf unsere Produkte umgestiegen sind. Weil wir ihnen die Augen geöffnet haben, dass es nachhaltige Alternativen gibt. Das ist das Schöne: zu wissen, wofür man tagtäglich diesen Impact gibt, und, dieses Feedback zu erleben.
Sie werden heuer erstmals bei den Digi Play Days, Österreichs größtem Event für digitale Lernspiele, dabei sein. Was werden sie dort vorstellen?
Dort werden wir die bereits erwähnte digitale Lernplattform für Jugendliche zum Thema Menstruation und Monatshygiene vorstellen. Wichtig ist uns, zu betonen, dass es sich dabei um ein interdisziplinäres Thema handelt, das nicht nur im Biologieunterricht, sondern auch in Geographie, Informatik, Sprachen, Sport etc. vorkommen sollte; und für alle diese Gegenstände schaffen wir mit unserer Plattform ein Angebot.
Bettina Steinbrugger
1984 in Klagenfurt, studierte nach ihrer Matura am BRG Klagenfurt-Viktring Romanistik an der Karl-Franzens-Universität-Graz. Nach diversen Auslandsaufenthalten in Frankreich, Tunesien und Kolumbien begann sie sich schon während des Studiums intensiv mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ auseinander zu setzen und initiierte als Projektleiterin bei der internationalen Studierendenorganisation AIESEC ein Projekt in Graz zum Thema „Faire Kleidung“. Über 8 Jahre arbeitete Bettina Steinbrugger bei respACT, der österreichischen Unternehmensplattform für Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltige Entwicklung und gründete 2011 gemeinsam mit Annemarie Harant die „erdbeerwoche“.